''Stunde Null'' bei der Feuerwehr Kösching

08.05.2020 - Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Wenige Tage vor der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 hatten die Köschinger den Einmarsch der Amerikaner erlebt. Nach den Schrecken des Krieges und der Diktatur begann damit ein Neuanfang im Markt. Wie in allen Lebensbereichen stellte dieser auch die Feuerwehr vor Herausforderungen. …



Trotz ihrer vergilbten Seiten und des abgegriffenen Umschlags ist sie ein besonders wertvoller Schatz: die Chronik der Freiwilligen Feuerwehr Kösching. Mit großer Sorgfalt hatten die Schriftführer seit der Gründung alle wichtigen Meilensteine in dem mehrere hundert Seiten umfassenden Werk niedergeschrieben. Neben zahlreichen Bränden, unzähligen Versammlungen und stimmungsvollen Festen beleuchtet dieses Buch jedoch auch die dunklen Zeiten in der Geschichte der Wehr. So lässt sich heute noch nachlesen, welches Unheil die zwölfjährige Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten und der Zweite Weltkrieg mit sich brachten.

Kösching auf einer Luftaufnahme aus dem Jahre 1937. Im linken oberen Bildrand ist das damalige Feuerwehrgerätehaus zu erkennen.

Stolze 88 Jahre war das ''Feuerlöschrequisitenhaus'' am Feuerwehrplatz die Heimat der Köschinger Wehr. Zur Ingolstädter Straße hin (rechts) war eine kleine Wohnung angebaut. Letzter Bewohner war bis 1961 Hans Netter. Danach wurde dieser Teil des Gebäudes abgerissen, ehe 1970 das gesamte Bauwerk dem Erdboden gleich gemacht wurde. Heute steht an dessen Stelle der Köschinger Maibaum.

Im Dezember 1943 erhielt die Köschinger Wehr ein Löschgruppenfahrzeug LF 15. Mit diesem rückten die Wehrmänner auch zu Brandeinsätzen nach Luftangriffen aus. Bis zu Beginn der 60er Jahre stand der Wagen, der zu großen Teilen aus Holz gefertigt war, im Dienst der Feuerwehr Kösching. Das Bild zeigt ein baugleiches Fahrzeug der Manchinger Wehr - aufgenommen während des Kreisfeuerwehrfestes in Kösching im Jahre 1956.

Mit der Einstufung der Köschinger Wehr zur Stützpunktfeuerwehr konnte die Ausrüstung nicht nur um ein Löschfahrzeug erweitert werden. So wurde im Jahre 1944 der lang gehegte Wunsch auf Errichtung eines Schlauchturmes erfüllt. Die Kosten für das hölzerne Bauwerk, das knapp 30 Jahre an der Aufzweigung Lindenstraße / Nordring stand, beliefen sich auf 1.600 Reichsmark.

So wurde unter anderem aufgeführt, dass sich die Wehrmänner relativ früh mit der Brandbekämpfung nach Luftangriffen auseinandersetzen mussten: Das Szenario einer Hauptübung am 13. Oktober 1935 sah nämlich vor, dass eine Fliegerbombe das Schulhaus getroffen hatte. Als knapp vier Jahre später der Zweite Weltkrieg ausbrach, machte sich dies sehr rasch bei der Freiwilligen Feuerwehr bemerkbar. Schriftführer Blasius Bauer, der dieses Amt von 1920 bis 1947 ausführte, hatte nach einem Appell am 8. Oktober 1939 festgehalten, dass bereits 18 Mann einberufen wurden. Rund einen Monat später tauchte der Vermerk auf, dass sich 27 Kameraden bei der Wehrmacht befänden. In den Folgejahren lichteten sich die Reihen der Floriansjünger immer weiter, wodurch auch Frauen, Hitlerjungen und die Riege der über 60-jährigen Kameraden zum Dienst an den Feuerlöschgeräten herangezogen wurden. Mit dem 1943 beschafften Löschfahrzeug eilten die Köschinger Wehrmänner mehrmals nach Luftangriffen zu Hilfe. Als Einsatzorte galten dabei München, Augsburg, Feldkirchen und Ingolstadt. Geleitet wurden diese lebensgefährlichen Einsätze von Kommandant Thomas Ott sowie Zugführer und Maschinist Max Heidl.

Auch das Ende des Krieges zeichnet sich in der Feuerwehrchronik ab. So wurde festgehalten, dass im Frühjahr 1945 keine Hauptübung - der sogenannte „Generalappell“ - stattfand. Zu groß waren Angst und Not in der Bevölkerung. Tieffliegerangriffe, die Bombardierung des Steinbruchs und ein großer Angriff auf die Munitionsanlage Desching markierten die letzten Kriegstage, ehe amerikanische Soldaten den Markt Ende April 1945 erreichten. Hierzu schrieb der Chronist nieder: „26. April: Einmarsch der Amerikaner in Kösching, abends 17 Uhr. Durch Kriegseinwirkung wurden die beiden Motorspritzen beschädigt, so daß dieselben nicht mehr einsatzfähig waren. Ein Schlauchwagen mit 150 Metern C-Schläuchen ist abhanden gekommen. Die Tätigkeit der Wehr wurde durch die Kriegsereignisse lahmgelegt.“

Der Zweite Weltkrieg hinterließ überall seine Spuren, unsägliches Leid und eine große Lücke bei der Köschinger Wehr. So waren 17 Feuerwehrkameraden gefallen und sieben weitere galten als vermisst.

Wenige Tage nach dieser Befreiung und der Flucht der bisherigen Machtinhaber wurde langsam ein Neubeginn möglich. Mit Simon Diepold, der bereits von 1926 bis 1933 als erster Bürgermeister fungierte, übernahm ein erfahrener Kommunalpolitiker die Verantwortung im Markt. Währenddessen vollzog sich auch ein Führungswechsel bei der Feuerwehr. So erklärte der bisherige Wehrführer Thomas Ott am 11. Juni 1945 seinen Rücktritt. Auf Ansuchen von Gemeindeoberhaupt Diepold übernahm Otts Vorgänger Georg Braun erneut das Kommando und rief schnell die erste Übung ein, bei welcher die noch vorhandenen Gerätschaften überprüft wurden. Angetreten waren hierzu 32 Mann.
Nicht nur durch diese Tatsache wurde deutlich, dass den Köschingern der Wiederaufbau ihrer Wehr am Herzen lag. So wurde bereits am 19. August 1945 eine Ausschusssitzung im Gasthaus Heidl einberufen. Dabei beschlossen die neun anwesenden Mitglieder, die beiden defekten Motorspritzen reparieren zu lassen. Am 13. Juni 1946 überführte der zweite Kommandant und spätere Vorstand Max Heidl die beiden Geräte nach Ulm zur Firma Magirus, wo er sie vier Monate später wieder abholen konnte.

Ihren ersten Einsatz nach der „Stunde Null“ musste die Wehr am 24. April 1946 meistern: Im Staatswaldabteil Eichenschlag galt es einen Brand zu bekämpfen. Da die beiden motorbetriebenen Löschgeräte nicht mehr funktionierten, rückte man dem Feuer mit der Saug- und Druckspritze aus dem Jahre 1896 erfolgreich zu Leibe.

Eines der verdienstvollsten Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Kösching ist Georg Braun. Dieser bekleidete über Jahrzehnte hinweg mehrere Ämter bei der Wehr. So fungierte er unter anderem von 1925 bis 1942 als Kommandant. Auf Ansuchen von Bürgermeister Simon Diepold übernahm er nach Ende des Zweiten Weltkriegs erneut die Führung bis zum Jahre 1949.

Trotz der schwierigen Zeit mit all ihren Herausforderungen, begingen die Floriansjünger am 1. September 1946 ihr 75-jähriges Gründungsjubiläum. „Das Fest wurde der Zeit entsprechend abgehalten.“, wie es in der Chronik heißt. Im Rahmen eines Gedächtnisgottesdienstes und der anschließenden Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal durch Vorstand Albert Sailer gedachten die Wehrmänner ihrer verstorbenen und gefallenen Kameraden. Eine Schauübung am Nachmittag markierte nicht nur das Ende des kleingehaltenen Jubiläums, sondern auch der Feuerschutzwoche.

Mit einer Generalversammlung am 16. März 1947 wurde ein Neuanlauf des Vereinslebens eingeleitet. Neben 72 Mitgliedern waren hierzu auch Bürgermeister Melchior Mayerhofer und Bezirksbrandinspektor Martin Friedrich erschienen. Im Fokus stand dabei die Verjüngung der Wehrführung. Bei den durchgeführten Kommandanten-Wahlen konnte der Sattler Michael Koch fast alle Stimmen auf sich vereinen. Trotz dieses hohen Vertrauensbeweises lehnte Koch jedoch ab. Da sich auch sonst niemand fand, der dieses ehrenvolle Amt ausüben wollte, blieb das Kommando weiterhin in den Händen von Georg Braun.
Erfreulicherweise schlossen sich in den Folgemonaten viele junge Männer der aktiven Mannschaft an. So meldeten sich allein während einer Übung am 20. April 1947 elf neue Kameraden zum Dienst. Die Zeichen für die Zukunft der Wehr standen damit sehr gut. Bedingt durch diese positive Entwicklung konnte Braun im Jahre 1949 die Führung beruhigt an Johann Liepold weitergeben. Als dessen Stellvertreter bestimmte man Michael Koch.

In einer Zeit, in der Krieg und Leid scheinbar weit weg sind, können heutige Generationen nicht mehr nachvollziehen, vor welchen Herausforderungen die Wehrleute einst standen. Mit Enthusiasmus, Mut und Kameradschaft leisteten die „Feuerwehrmänner der Stunde Null“ einen unschätzbaren Beitrag für den Wiederaufbau einer schlagkräftigen Hilfsorganisation. Damit dies nie in Vergessenheit gerät, dafür sorgt die Feuerwehrchronik mit ihren vergilbten Seiten und dem abgegriffenen Umschlag.